Lars Leonhardt im Gespräch beim Wartburg-Radio mit Eva Otto (v.r.n.l.)

Zeitzeugengespräche fortgeführt

Am 19. April sprachen Jessica Lindner-Elsner, Archivleiterin der Stiftung Automobile Welt Eisenach, und Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung, Lars Leonhardt, gleich mit drei Zeitzeuginnen und Zeitzeugen über ihre persönlichen Erinnerungen an die Arbeitszeit im VEB Automobilwerk Eisenach und den Veränderungen nach der politischen Wende 1989. Besonders war diesmal, dass alle drei ehemaligen Mitarbeiter*innen zwischen 90 und 94 Jahre alt waren und somit etwa gleichzeitig im Automobilwerk arbeiteten, jedoch in unterschiedlichen Bereichen.

Den Anfang machte Eva Otto, Witwe des Rallyefahrers Kurt Otto. Sie berichtete eindrücklich über das Leben mit ihrem sportlich erfolgreichen Mann und die damit verbundenen Schwierigkeiten. Wenn ihr Mann beispielsweise zu einem Rallyeeinsatz im Ausland war, erfuhr sie oftmals erst von Erfolgen oder Unfällen, wenn dieser wieder zu Hause war. Frau Otto selbst arbeitete ebenfalls seit Ende der 1970er Jahre im Automobilwerk in der Abteilung Kundendienst. Sie konnte erst eine Arbeit aufnehmen, als die Kinder in die Schule gingen und die Betreuung damit gesichert war.

Das zweite Gespräch führten Jessica Lindner-Elsner und Lars Leonhardt mit dem Motorenkonstrukteur Konrad von Freyberg, der nicht nur über die technischen Leistungen und politischen Schwierigkeiten in seinem Arbeitsleben erzählte, sondern auch über seine Lehrzeit in der Werkstatt der Familie Greifzu in Suhl, aus der der berühmte Motorsportler Paul Greifzu stammte. Er schilderte den emotionalen und feierlichen Empfang in Suhl nach dessen Sieg auf der Avus 1952 und der tiefen Trauer nur ein Jahr später, als er bei einem Rennen in Dessau tödlich verunglückte.

Zuletzt stand Helfried Naumann Rede und Antwort. Er absolvierte schon seine Ausbildung im Automobilwerk und wurde nach dem Studium in Dresden Versuchsingenieur im Motorenbau im AWE. Er berichtete, wie seine ablehnende Haltung gegenüber dem SED-Regime zustande kam und wie diese seine berufliche Entwicklung bis zum Ende der DDR behinderte. Er konnte beispielsweise als Mitglied einer Arbeitsgemeinschaft, die sich mit Kraft- und Schmierstoffen beschäftigte, zwar zum Dosierungstest mit nach Bulgarien aber nicht mit nach Finnland reisen, weil ihn die Staatssicherheit als „nicht zuverlässig“ einschätzte. Als Tüftler und begeisterter Segelbootfahrer machte er sein Hobby – das Aufbauen von Wohnwagen – zum zweiten Standbein und fertigte mehr als 10 solcher Eigenkonstruktionen an.

Alle drei Gesprächspartner*innen berichteten über die komplizierte Wohnungssuche in Eisenach, die nicht selten langen Wartezeiten auf eine AWG-Wohnung und den zum Teil desolaten Zustand der Arbeitsräume im Automobilwerk. Nach der politischen Wende änderte sich auch für die Interviewten das Arbeitsleben. Helfried Naumann wurde mit 60 Jahren in den Vorruhestand geschickt, er arbeitete aber noch weiter, unter anderem als Maschinenbediener oder im Arzneimittelvertrieb. Konrad von Freyberg war bis zur Betriebsstillegung im AWE und danach bei Eckard Design (EDAG) bis zu seinem 63. Geburtstag beschäftigt. Mit dem Renteneintritt gründet zusammen mit anderen ehemaligen Mitarbeiter*innen einen Verein zum Erhalt der Automobilhistorie Eisenachs. Eva Otto konnte schon 1989 vor dem Fall der Berliner Mauer in den Ruhestand gehen, sie arbeitete aber noch eine Zeit als Geldauszahlerin bei der AOK weiter.